„Der Smart Tank rollt herein“: Pistorius lässt den Panzer des nächsten Jahrhunderts bauen (2024)

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Von: Karsten Hinzmann

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Er soll sogar alleine fahren können – in einigen Jahrzehnten. Darüberhinaus wird er alles besser können als seine Gegner: der neue Super-Panzer MGCS.

Berlin – Ernüchternde Nachrichten für Armin Papperger. „Eine europäische Armee ist doch nur möglich, wenn alle EU-Staaten in ihrer Verfassung verankern, dass ein europäischer Verteidigungsminister sie in den Krieg schicken kann. Das ist ein schöner Traum, mehr nicht. Aktuell läuft es bei der Rüstung sogar in die andere Richtung: „Renationalisierung statt Europäisierung.“ Das sagte kürzlich der Vorstandsvorsitzende der deutschen Rüstungsschmiede Rheinmetall dem Tagesspiegel. Jetzt wird ihn die Realität womöglich eines Besseren belehren.

Das MGCS (Main Ground Combat System –zu Deutsch: Hauptbodenkampfsystem) wird definitiv der Panzer der Zukunft –der Zukunft von übermorgen oder sogar noch später. Deutschland undFrankreichhaben jetzt die Entscheidung getroffen, als gemeinsames Rüstungsprojekt einen modernen Kampfpanzer zu bauen. „Das ist ein historischer Moment“, sagte BundesverteidigungsministerBoris Pistorius(SPD) am Freitag nach einem Treffen mit seinem französischen Amtskollegen Sébastien Lecornu in Berlin. Am 24. April unterzeichnen beide Seiten eine Absichtserklärung (Memorandum of Understanding), das die Details festlegt. Bis Ende dieses Jahres soll dann ein Vertrag mit den beteiligten Industrien fertig sein.

„Der Smart Tank rollt herein“: Pistorius lässt den Panzer des nächsten Jahrhunderts bauen (1)

Rheinmetall baut mit dem KF51 Panther dessen Konkurrenten. Das Düsseldorfer Unternehmen habe sich zur Entwicklung eines eigenen Kampffahrzeugs entschieden, nachdem das Unternehmen im MGCS-Projekt keinen hinreichenden Einfluss habe ausüben können. Der KF51 Panther sei auch als Antwort auf Russlands neue Generation von KampfpanzernT-14 Armatazu verstehen. Mit dem wird sich auch das MGCS herumschlagen müssen.

MGCS: Mehr als zehn Jahre Planung für den Konkurrenten von Putins T-14 Armata

Den Konkurrenten MCGS stilisierte das Magazin Europäische Sicherheit & Technik bereits zum „Quantensprung sowohl in der Offensiv- als auch in der Defensivfähigkeit“ – das Konstrukt ist das Amalgam aus dem deutschen Leopard 2 und dem französischen Leclerc, die offenbar das Ende ihres Wachstumspotenzials erreicht haben, und wird idealerweise von 2035 an die schweren Panzerkräfte beider Nato-Partner bilden. Das ist der Zieleinlauf eines mehr als zehnjährigen Vorhabens. Nach operativer Bedarfsanalyse und ersten Konzepten, die seit 2012 erarbeitet wurden, einigten sich Berlin und Paris im Juni 2018 offiziell auf eine gemeinsame Umsetzung des MGCS-Programms, wobei die Bundesregierung die politische Federführung bei dem Projekt behält und auch industriell die Hauptlast schultert.Im Oktober 2019 bekräftigten die beiden Partner ihr Engagement.

MGCS-Programm –die Roadmap:

Zukünftig ist das MGCS-Programm in drei Hauptphasen unterteilt:
• Technologiedemonstrationsphase (TDP) – laufend, 2020–2024;
• Vollständige Systemdemonstrationsphase (FSDP) – geplant für 2024–2028;
• Implementierungs- und Vorproduktionsphase – 2028–2035.
Der erste Einsatz des Panzers wird für 2035 erwartet, seine volle Einsatzfähigkeit (FOC) soll 2040 erreicht sein.

Quelle: European Security & Defence

Die Entscheidung spiegelt den jüngsten Trend hin zu einem multinationalen Ansatz in großen europäischen Rüstungsprogrammen wider –wie das beispielsweise auch bei der Raketenabwehr IRIS-T SLM gerade anläuft. Überwiegend beteiligt an dem Projekt ist dieKMW+Nexter Defense Systems(KNDS) mit Sitz im niederländischenAmsterdam, eine Holding aus den im Frühjahr 2015 fusionierten RüstungskonzernenKrauss-Maffei Wegmann(KMW) und der staatlichen französischenNexter Systems. Begleitet wird das Projekt vomDeutsch-Französischen Forschungsinstitut Saint-Louis(ISL). Aufgabe des ISL ist, nach eigenen Angaben,„technische Innovationenin den BereichenVerteidigung und Sicherheit zu entwickeln. Die Forschungsarbeiten erfolgen inverschiedenen Fachbereichenund mit unterschiedlichen Technologie-Reifegraden: von derGrundlagenforschungbis zurEntwicklung von vorindustriellen Prototypen, die in operative Ausrüstungen integriert werden können“.

Das europäische Projekt zielt ja auf das Jahr 2040, und aus einer gewissen Berufserfahrung heraus rechne ich eher mit 2045. Unsere unternehmerische Überlegung war deshalb, dass wir einen neuen Panzer für diese lange Zwischenzeit brauchen.

Mobilität soll eines der Charakteristika des MGCS werden – geplant sind 50 Tonnen Gewicht als Maximum –damit wäre er rund zehn Tonnen leichter als das Basismodell des Rheinmetall-Panthers und ungefähr gleich gewichtig wie der russische T-14 Armata.Der MGCS soll von einem Hybridsystem mit 1.325 kW/1.800 PS angetrieben werden und mit rund 36 PS pro Tonne die Konkurrenz um zehn PS pro Tonne übertrumpfen. Die um den Ladeschützen minimierte zweiköpfige Besatzung arbeitet darin zum besseren Schutz in einer gekapselten Kammer im Rumpf – wenn sie überhaupt an Bord bleibt.

Das Konzept beinhaltet auch die Idee des ferngelenkten Einsatzes aus gedeckten Führungspanzern heraus, wie ein leitender Rheinmetall-Ingenieur zum Anfang der Planungsphase dem Magazin des Reservistenverbands loyal gegenüber erläutert hat. Das allerdings mag der schrillste Ton der Zukunftsmusik sein, tatsächlich dürfte der unbemannte MGCS-Panzer wohl erst die übernächste Entwicklungsstufe sein. Im Bundesverteidigungsministerium herrschten offenbar von Anfang an ambitionierte Vorstellungen von dem, was das MGCS leisten soll.

MGCS: Nur einer wird aussehen, wie ein Panzer im klassischen Sinne – mit einem Rohr

Der zuständige Unterabteilungsleiter, Brigadegeneral Holger Draber, zeichnet gegenüber loyal das ganz große Bild eines Waffensystems der Zukunft und räumt dabei mit der Vorstellung auf, dass es sich lediglich um einen neuen Panzer handelte. Das Besondere: „Nur eines der darauf fußenden Fahrzeuge wird Ähnlichkeit haben mit dem, was wir heute unter einem Kampfpanzer mit klassischer Rohrwaffe verstehen. Wir werden daneben auch Fahrzeuge haben, die mit anderen Effektoren ausgestattet sind. Vorstellbar sind Hochgeschwindigkeitsraketen, Drohnen, Laser und weit reichende Wirkmittel jenseits der Sichtlinie. Dazu Führungs- und Kommunikationsplattformen“, so Draber.

Geplant ist – aus Kostengründen –, dass aus einem Chassis drei Fahrzeuge mit identischem oder ähnlichem Fahrgestell aber gänzlich unterschiedlichen Aufgaben erwachsen:Neben dem Hauptpanzer mit Rohrwaffe soll ein bemanntes Fahrzeug Raketensysteme tragen, und ein unbemanntes Fahrzeug indirekte Feuerwaffen, möglicherweise Panzerabwehrraketen mit großer Reichweite oder herumlungernder Munition (loitering amunition).Diese Fahrzeuge werden laut Planung auch über eigene Drohnen verfügen, um das Gefechtsfeld aufzuklären.

Hinsichtlich der Feuerkraft des rohrgestützten Panzers wird erwartet, dass das MGCS die Fähigkeiten seiner Ahnen übertrifft und wahrscheinlich die 120-mm-Kanone des Leopards durch ein Geschütz mit größerem Kaliber ersetzt, möglicherweise das Rheinmetall-Kaliber 130-mm oder ein 140 mm-Kaliber von Nexter.Das Design umfasst ein am Turm montiertes Waffensystem und eine reduzierte Munitionskapazität – voraussichtlich 20–26 für das MGCS anstatt bis zu 40 in aktuellen Kampfpanzern.

MGCS: Der Smart Tank rollt herein – mit Künstlicher Intelligenz aus Bayern

Und schlau soll es werden – das im bayerischen Taufkirchen beheimatete Unternehmen Hensold stellt das neue Bundeswehr-Flaggschiff online bereits ganz groß heraus: „Ziel ist es, der MGCS-Crew mit Unterstützung künstlicher Intelligenz (KI) in Echtzeit einen vollständigen Überblick inklusive automatisierter Situationsanalyse zu bieten.“ Der neue Panzer soll „Entscheidungsüberlegenheit“ herstellen und im Gefecht den schnelleren, gezielteren Schuss ermöglichen. Hensold verspricht: „Der Smart Tank rollt herein.“

Was genau schließlich entwickelt wird, soll später entschieden werden. In diesem Jahr sollen Technologiedemonstratoren für einzelne Komponenten entwickelt werden und bis 2028 in einen Gesamtsystemdemonstrator münden. Dieser wird zeigen, welche Fahrzeugtypen, Waffen und sonstigen Komponenten am Ende genutzt werden können. Zu gegebener Zeit soll das Projekt dann auch für weitere europäische Nationen geöffnet werden. Das Magazin Defence Industry hatte bereits im September berichtet, dass Italien den Einstieg in das Projekt erwägt – aus mehreren Gründen: Die Einbindung Italiens sei aus industrieller Sicht relevant, da von dort Fachwissen zu Sensoren und Elektronik einzubringen sei.Gleichzeitig bestünde durch die Fusion zwischen KMW und Nexter die Gefahr, dass sich die italienische Industrie kalt gestellt fühlen könnte.

MGCS: Kommt der Super-Panzer später, rasselt der Panther aufs Gefechtsfeld

Die Einbeziehung in das Projekt würde es italienischen Unternehmen somit ermöglichen, ihr Know-how und ihre Fähigkeiten zu behalten.Darüber hinaus würde der italienische Beitrag eine Verteilung der Entwicklungskosten auf drei statt auf zwei Akteure ermöglichen. Laut Europäische Sicherheit & Technik würden sich die Gesamt-Entwicklungskosten des MGCS zwischen 2020 und dem Realisierungsbeginn auf zusammen auf 1,5 Milliarden Euro belaufen. Allerdings solle damit auch der Schritt ins nächste Jahrhundert bereitet sein, wie der Rheinmetall-Ingenieur Kappen behauptet: „Wir wollen ein Waffensystem entwickeln, das das Rückgrat der Bodentruppen darstellt und nach seiner Einführung 2035 mindestens 40 Jahre im Dienst bleiben soll.“

Das sei ein komplexes Problem, wie loyal schreibt. „Dafür müssen Technologiesprünge gedacht werden, für die es heute einiger Fantasie bedarf. Weil das MGCS so grundlegend neu ist, hat die Industrie einen Zero-Base-Ansatz gewählt. Das heißt: Das, was es aktuell beispielsweise beim Leopard 2 gibt, wird nicht linear in die Zukunft fortgeschrieben, sondern es wird etwas völlig Neues geschaffen. ,Wir denken vom Ende her, von der Wirkung, die wir erreichen wollen und nicht von dem, was schon da ist‘ erläutert Kappen.“

Laut dem loyal-Autoren André Uzulis sind die Ambitionen genauso groß wie die Gefahr des Scheiterns. Das erste Serienfahrzeug soll 2035 ausgeliefert werden. Der Zeitplan ist straff, orakelt European Security & Defence: Für Frankreich und Deutschland ist es nach wie vor unerlässlich, in den 2030er-Jahren mit dem Austausch ihrer derzeitigen Kampfpanzer zu beginnen – dasselbe gilt für viele Benutzer des Leopard 2.Sollte es bei MGCS zu größeren Verzögerungen kommen, ist eine Zwischenlösung erforderlich.“ Das wiederum wäre für den Rheinmetall-Chef Armin Papperger eine gute Nachricht, wie der dem Tagesspiegel gesagt hat.

Der wollte wissen, warum er aus dem MGCS ausgestiegen ist und mit dem KF51 Panther einen Konkurrenten anrollen lässt: „Das europäische Projekt zielt ja auf das Jahr 2040, und aus einer gewissen Berufserfahrung heraus rechne ich eher mit 2045. Unsere unternehmerische Überlegung war deshalb, dass wir einen neuen Panzer für diese lange Zwischenzeit brauchen. Insofern freue ich mich, dass wir den Panther zusammen mit der ungarischen Regierung zur Serienreife entwickeln werden.“

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